Eine Freiwillige vom Projekt Kombi erzählt

Eine Frau aus Eritrea mit drei Kindern, ein Name, eine Adresse, die Hoffnung, dass die Verantwortlichen vom Solinetz eine passende Kombi gewählt haben und die bange Frage, ob wir uns mögen und verstehen werden. Ich habe Genet in ihrem Zuhause in einer Containersiedlung der AOZ in der Stadt Zürich kennengelernt. Sie hat mich mit Tee und frischen Popcorn empfangen. Wir waren uns vom ersten Moment weg sympathisch. Einen Weg, uns zu verständigen, finden wir immer, auch wenn die deutschen Wörter mal fehlen und wir keine gemeinsame dritte Sprache haben.

Ich fühle mich willkommen bei Genet und ihren Töchtern Sara, Semhar und Magda. Nach dem Abschlussabend der Kombi-Projektrunde war es für uns keine Frage, dass unser Kontakt weitergeht. “Wir sind Freunde” sagt Genet, ich kann ihr beipflichten. Freundschaft hat so viele Gesichter, ich lerne in dieser Begegnung ein neues kennen.

Der Wunsch, der prekären Lage von geflüchteten Menschen tätig etwas entgegenzusetzen. Helfen, um das schlechte Gewissen grundlos auf der privilegierten Seite des Lebens zu sein, zu verdrängen: Diese Beweggründe, mich beim Projekt Kombi anzumelden, kennen wohl viele Freiwillige. Sie sind schnell verblasst. Helfen kann ich bei amtlichen Dingen wie Dokumente erläutern, die für Genet unverständlich sind oder Telefonate mit Behörden führen. Aber alles andere ist wichtiger.

Die Familie beeindruckt mich. Es ist eine vitale und temperamentvolle Truppe, vier ausgeprägt eigenwillige Persönlichkeiten, die in ihrer Verbundenheit Geborgenheit und ein Zuhause haben. Der Alltag der Familie ist dicht. Die Töchter besuchen die öffentliche Schule, Genet geht wöchentlich an drei verschiedenen Orten zum Deutschunterricht, hilft in der Küche vom GZ Grünau, nutzt diverse Treffpunktangebote, kocht, wäscht, putzt und ist eine herzliche Gastgeberin für Freunde, die öfters auftauchen. Vor allem ist sie aber einfach da für die 16-jährige Sara, die 11-jährige Semhar und die 6-jährige Magda, als verantwortliche und alleinerziehende Mutter.

Jedes Mal, wenn ich zu Besuch komme, haben sich die kargen, etwas unwirtlichen Containerräume wieder verwandelt. Genet gelingt es, sie in einen wohnlichen, an Geburtstagen sogar festlichen Ort zu verwandeln. Warmherzig, fröhlich und allen zugewandt ist sie eine wunderbare Gastgeberin, bei der man sich wohl fühlt. Ich verbringe dort ruhige Stunden mit Genet im Gespräch, manchmal auch Zeit mit meinem Partner zwischen der versammelten Familie und ihren Freunden, mitten im angeregten Geplauder auf Tigrinya, bewirtet mit den eritreischen Speisen, fremd und zuhause zugleich.

Schule, Freunde, Freizeit, ja sogar Jungschar bei der Cevi, die Töchter führen ein normales Leben von Kindern und Jugendlichen in Zürich. Genet ist sozial eingebettet und findet sich mit allem, was der Alltag ihr abfordert, bestens zurecht. All das lässt fast vergessen, dass die ganze Familie ohne geregelten Aufenthaltsstatus mit ungewisser Zukunft lebt. Genet akzeptiert die Begrenzungen ihrer Situation nicht nur, sie gestaltet sie aktiv und tätig. Der nächste Schritt ist das Härtefallgesuch. Es ist schwer vorstellbar, dass diese ‘Prüfung der Integration’ nicht zur Legalisierung ihres Aufenthaltsstatus führt. Ich hoffe, dass die Unterstützung der Menschen, die ihren Schweizer Alltag teilen, mich eingeschlossen, hilfreich sein wird.

Ursula Bosshard, 28. Januar 2024
Foto: Ursula Markus