An das Kantonale Sozialamt:
Sehr geehrte Frau Lübberstedt, sehr geehrte Frau Gasser Pfulg,
der Verein Solinetz Zürich macht, neben zahlreichen anderen Projekten, auch Besuche in Notunterkünften bzw. neu Rückkehrzentren. Im Moment sind, aus gegebenem Anlass, keine Besuche mehr erlaubt. Trotzdem halten wir den Kontakt zu den Menschen, die wir kennengelernt haben, auch wenn die Begegnungen jetzt am Telefon stattfinden.
Von den Bewohnerinnen und Bewohnern verschiedener Rückkehrzentren hören wir, dass bisher –ausser dem Verteilen von Handwaschmittel, der Einführung des Besuchsverbots und weiteren, kleineren Anpassungen – keine weiteren Massnahmen zum Schutz vor einer Ansteckung durch das Coronavirus eingeführt worden sind.
Besonders beunruhigend ist, dass die Platzverhältnisse in den Unterkünften unverändert beengt sind. In allen Rückkehrzentren des Kantons leben die Menschen in Mehrbettzimmern. Sie müssen sich Küche, Aufenthaltsraum und sanitäre Anlagen teilen. In Bezug auf die beengten Platzverhältnisse und die Aufforderung, „zuhause“ zu bleiben, stellt sich das Problem besonders scharf in Urdorf, wo gut 40 Männer unterirdisch dicht an dicht schlafen und leben müssen. Aber auch in allen anderen Rückkehrzentren müssen die Menschen so nahe beieinander leben, dass sie sich – gerade wenn sie zuhause bleiben (!) – einer grossen Ansteckungsgefahr aussetzen.
Den Menschen in den Rückkehrzentren ist es nicht möglich, die vom Bundesrat angeordneten Sicherheitsempfehlungen umzusetzen. Es ist ihnen weder beim Kochen, in den sanitären Anlagen, in den Gemeinschaftsräumen noch in den kollektiven Schlafräumen möglich, den geforderten Abstand zu halten.
Dies ist insbesondere auch deshalb sehr besorgniserregend, weil in den Rückkehrzentren auch ältere Personen leben und solche, die aufgrund von Vorerkrankungen zur Risikogruppe gehören.
Was nützt es, wenn sich die Gesellschaft solidarisch verhält und keine Risiken einzugehen versucht, wenn gleichzeitig der Staat diese vom Bundesrat verordneten Massnahmen in gewissen, besonders vulnerablen Bereichen, nicht selbst umsetzt?
Wir sind sehr besorgt über die fehlenden Schutzmassnahmen für die Menschen in den Rückkehrzentren. Erstens sorgen wir uns um die Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner, die zur Risikogruppe gehören und sich trotz bestehendem Willen in diesen Wohnverhältnissen nicht schützen können, zweitens können wir nicht nachvollziehen, dass der Kanton nicht sofort Massnahmen ergreift, damit Kollektivunterkünfte nicht zu einer Gefahr für die Gesamtgesellschaft werden.
An dieser Stelle ist es uns wichtig zu betonen, dass eine totale Ausgangssperre für alle BewohnerInnen der Unterkünfte keine Lösung darstellen kann, da die BewohnerInnen weiterhin der Ansteckungsgefahr innerhalb der Unterkunft ausgesetzt wären. Es muss darum gehen, die Menschen so unterzubringen, dass sie keiner Ansteckungsgefahr – auch nicht von den anderen Personen der Unterkunft – ausgesetzt sind. Zurzeit leben sie in grosser (und berechtigter) Angst. (Dazu kommt, dass es für Familien, die mit ihren Kindern in einem einzigen kleinen Zimmer leben, unmöglich ist, über Wochen oder gar Monate hinweg im Zimmer zu bleiben.)
Im Namen des Solinetzes und aller Menschen, die dem Solinetz zugetan sind, sowie im Namen aller, die diese Pandemie bremsen wollen, damit unsere Spitäler nicht überlastet sind und ihrer Aufgabe auch weiterhin nachkommen können, fordern wir Sie auf, sofort alle „Rückkehrzentren“ zu schliessen und die Menschen, die dort wohnen, dezentral in zurzeit leerstehenden Unterkünften unterzubringen. Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr: Im Moment sind die Asylzahlen rückläufig. Sie haben den nötigen Spielraum, um die Vorgaben des Bundesrates gemäss Epidemiegesetz einzuhalten und die Bewohnerinnen und Bewohner der Rückkehrzentren sowie die Gesellschaft als Ganzes zu schützen. Vielen Dank für Ihr entschlossenes und umsichtiges Handeln!
Freundliche Grüsse, das Solinetz
Hier finden Sie den Offenen Brief als PDF.
Und hier finden Sie die Antwort vom Sozialamt als PDF.