Ausschaffungen in die totalitäre Diktatur Eritrea?

Am 3.11.2023 hat der Kanton Zürich an einer Medienkonferenz über „Aktuelles aus dem Asylbereich“ berichtet. Dabei liess Regierungspräsident Mario Fehr zwei Sätze über Rückführungen nach Eritrea fallen, die wir so nicht stehen lassen möchten. Lesen Sie hier unsere Reaktion:

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Es waren nur zwei Sätze an einer 45-minütigen Medienkonferenz.
Regierungspräsident Mario Fehr sprach gerade von den Rückführungen nach Algerien und in den Irak, als er mit saloppen Worten noch anfügte: «Wir würden sehr wünschen, dass so etwas auch mit Eritrea möglich wäre. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass Frau Bundesrätin mal dorthin fliegen möchte und schauen, ob etwas zu machen ist.» (Minute 44.00)

Lockere Wortwahl, harmloser Vorschlag?
Mario Fehr selbst behauptete im nächsten Satz noch, er formuliere seinen Wunsch «sehr vorsichtig». Damit versuchte er wohl, seiner extremen Aussage einen etwas staatsmännischeren Anstrich zu verleihen. Doch «vorsichtig» war an seiner Aussage gar nichts. Im Gegenteil.

Mario Fehr wünscht sich, dass die offizielle Schweiz ein Rückübernahmeabkommen mit einer totalitären Diktatur abschliesst. De Fakto würde das heissen, Menschen, die vor einer Diktatur geflohen sind, die auch das «Nordkorea Afrikas» genannt wird, unter Zwang dorthin ausschaffen zu können. Dabei weiss Fehr genau, dass in Eritrea Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind, dass ein potentiell lebenslanger Militärdienst die EritreerInnen nicht nur ihrer grundlegendsten Freiheiten, sondern auch ihrer Lebensgrundlage beraubt, und dass Alleinherrscher Afewerki seine Soldaten nach Gutdünken losschickt, um in den Nachbarländern ungestraft Kriegsverbrechen zu begehen.

Fehr kann auch nicht verborgen geblieben sein, dass einer der wenigen Eritreer, der das Nothilfe-Regime in Fehrs Kanton Zürich nicht länger aushielt und daher «freiwillig» zurückkehrte, in Eritrea inhaftiert und gefoltert worden ist. Nur, weil er erneut fliehen konnte und nach jahrelanger Odyssee in die Schweiz zurück gelangte, hat er schliesslich Asyl, das heisst flüchtlingsrechtlichen Schutz, erhalten. (Die Republik und 10vor10 berichteten.)

Mario Fehrs Aussagen basieren nicht auf objektiven Beobachtungen der Situation in Eritrea, sondern sie sind rein innenpolitisch motiviert. Fehr weiss ganz genau, in welch eritreerfeindliches Klima hinein er seine Aussagen platziert. Es wird seinem Kalkül entsprochen haben, dass «20 Minuten» aus seinen zwei «vorsichtigen» Sätzen gleich die Titelschlagzeile machte: «Wünschen uns, dass Ausschaffungen nach Eritrea wieder möglich werden.» Mit jedem Artikel, der solch infame «Wünsche» thematisiert, werden hetzerische Forderungen salonfähiger.

Das Solinetz kennt und begleitet viele EritreerInnen, die von Nothilfe leben, seit Jahren. Wir kennen ihre Fluchtgründe, ihre Sorgen, ihre mutwillig verschwendeten Lebensjahre – aber auch ihr Potential und ihren schier unbeugsamen Durchhaltewillen. Und deshalb formulieren auch wir jetzt mal ganz vorsichtig einen Wunsch: «Wir könnten uns zum Beispiel vorstellen, dass Herr Regierungspräsident Fehr in eine Notunterkunft fährt, den Menschen dort zuhört und dann schaut, ob vielleicht etwas zu machen ist.» 

Das wäre allenfalls etwas weniger populistisch, aber am Ende doch weit realistischer, als auf den «Goodwill» eines unberechenbaren Diktators am Horn von Afrika zu setzen.

Hanna Gerig, Solinetz Zürich

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Weiterführendende Informationen zu Eritrea finden Sie bei der SFH:
https://www.fluechtlingshilfe.ch/themen/laenderinformationen/herkunftslaender/eritrea