Brief aus Ägypten

Die Gefängnisbesuchsgruppe erhielt Post von einem jungen Mann aus Ägypten. Er verbrachte seine 10 Monate Aufenthalt in der Schweiz im Ausschaffungsgefängnis beim Zürcher Flughafen. Sein Asylgesuch wurde im Schnellverfahren abgelehnt.

In der ganzen Zeit der Haft erhielt er Besuch von einer Freiwilligen der Solinetz-Besuchsgruppe. Dies war sein einziger Kontakt zu diesem Land.

Arabischer Brief via WhatsApp erhalten, übersetzt von der Gefängnisgruppe

Ägypten, Juli 2016
Liebe Leute

Gott hat strenge Regeln für den Zutritt in sein Paradies geschrieben; die Schweiz schreibt ein TOTALES VERBOT! In Ägypten will kein Mensch glauben, dass ich zehneinhalb Monate in der Schweiz war und doch nicht mehr als einen Teil des Flughafens und sein Gefängnis gesehen habe. Aber ich sah auch eure Gruppe, die für viele Gefangene wie auch für mich eine Freude und ein schönes Licht war, das durch alle Dunkelheit drängt.
Ich wurde einen Tag vor dem Flug gefragt, ob ich freiwillig ausreisen werde. “Gebt mir ein oder zwei Wochen Freiheit, um die Schweiz zu sehen, auf eigene Kosten – das Geld von mir habt ihr ja.“ Keine Antwort. Am nächsten Morgen Sonderflug, Zwangsjacke und Beruhigungsmittel, die einen total unfähig machen: nicht mal die Worte kommen raus. Ich muss aber sagen: Korrekt waren sie, Essen und Trinken bekamen wir, den Menschenrechten zuliebe. Aber da ist die höchste Grenze für uns andere Menschen. Mir ging es schlecht, schlechter ging es aber den Familien.
Im Flug waren Leute aus Marokko, Tunesien, Sudan und wir drei aus Ägypten. Ich wurde der ägyptischen Polizei übergeben als Gefangener aus der Schweiz; dort wurde ich in Untersuchungshaft (Einzelzelle) gebracht. Man musste abklären, ob ich mit Terrorismus zu tun hatte. Das hat zehn Tage gedauert. Ich konnte erst danach einen Anwalt organisieren und meine Familie informieren. Frei kam ich damit noch nicht. Zuerst mussten die Behörden mit der Schweiz abklären, ob ich dort kriminell geworden sei, weil es ein Abkommen mit der EU gebe, dass besagt, dass nur Straffällige zurückgeschafft werden dürften. Die Schweiz liess sich eine weitere Woche Zeit für die Mitteilung, ich sei nicht straffällig geworden. Ich hatte ja dazu auch keine Zeit und keine Gelegenheit, ha ha.
Eure Gruppe verdient grossen Respekt und hohe Achtung von mir und noch von vielen anderen Mitgefangenen im Ausschaffungsgefängnis, die ich gesehen habe. Bleibt bitte bitte mutig und macht weiter!
Wenn jemand von euch in den Ferien nach Ägypten möchte, kontaktiert mich und ich werde mich gern mit euch treffen, auch um der Gruppe etwas zurück zu geben.
Liebe Grüsse
Islam