Offener Brief an Bundesrätin Karin Keller-Sutter

Freiwillige aus dem Solinetz und weitere UnterstützerInnen haben letzte Woche einen offenen Brief an Bundesrätin Karin Keller-Sutter geschickt. Sie fordern von der Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements EJPD den sofortigen Stopp aller Ausschaffungen ins gewaltgeplagte und kriegsversehrte Afghanistan.
Wir freuen uns sehr, dass der offene Brief auf SocialMedia viele weitere UnterstützerInnen gefunden hat. Der Post hat 7796 Personen erreicht und wurde bis jetzt 62 Mal geteilt!

Link zum Offenen Brief

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Offener Brief an:

Frau Karin Keller-Sutter
Bundesrätin
Bundeshaus West
CH-3003 Bern

Herrn Mario Gattiker
Staatssekretariat für Migration SEM
Quellenweg 6
3003 Bern Wabern

Zürich, 11. November 2019

S. darf nicht nach Afghanistan ausgeschafft werden!

Sehr geehrte Frau Bundesrätin Karin Keller-Sutter
Sehr geehrte ausführende Beamtinnen und Beamten

Wer hat es in der Hand, grausame Auswirkungen von politischen und administrativen Entscheidungen so abzufedern, dass keine Menschen an Leib und Leben bedroht werden? Wer kann Abschiebungen in lebensgefährliche Situationen verhindern?
In einem Land wie der Schweiz muss es doch solche Notbremsen geben!

Am Montag 21.10.2019 versuchten die Zürcher Behörden S. (24) aus dem Ausschaffungsgefängnis Zürich-Flughafen nach Afghanistan auszuschaffen. Da er sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln wehrte, brach der Einsatzleiter der Kantonspolizei Zürich die Ausschaffung vor dem Boarding der Passagiere ab. Kommentar eines Polizisten zu S.: «Nun wissen wir, was wir das nächste Mal zu tun haben.» Inzwischen ist S. zwar aus dem Flughafengefängnis entlassen und ist wieder in der gegenüberliegenden Notunterkunft untergebracht mit der im Raume stehenden Drohung einer Ausschaffung nach Level 3 oder 4. Egal ob im Linienflug oder in einem separaten Charterflug, die behördlichen Richtlinien sehen eine vollständige Knebelung vor, inklusive Maulkorb und Helm.

Menschen verlassen ihre Heimat, ihr familiäres Umfeld und ihre Bekannten aus guten Gründen, was sich auch in der heutigen Situation Afghanistans verdeutlicht. Über dieses Land steht auf der Website der Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft eda.admin.ch «Von Reisen nach Afghanistan und von Aufenthalten jeder Art wird abgeraten. Es besteht das Risiko von schweren Gefechten, Raketeneinschlägen, Minen, Terroranschlägen, Entführungen und gewalttätigen kriminellen Angriffen einschliesslich Vergewaltigungen und bewaffneter Raubüberfälle. In verschiedenen Landesteilen bekämpfen die afghanischen Sicherheitskräfte Verbände der Taliban und anderer bewaffneter Gruppierungen. Im Osten des Landes sind Kämpfer aktiv, die sich zum «Islamischen Staat» bekennen. Die Kämpfe fordern zahlreiche Opfer. Allein im Jahr 2017 sind laut der UNO-Mission in Afghanistan (UNAMA) 3438 Zivilisten getötet und 7015 verletzt worden.»[1]

Und doch versucht die Schweiz Menschen dorthin abzuschieben. Im vollen Wissen darum, dass eine Rückführung den Betroffenen praktisch keine Chancen zur Reintegration und zu einer auch nur einigermassen gewaltlosen Zukunft bietet. Eine Studie des Max-Planck-Institut in Deutschland[2] bestätigt, dass Ausgeschaffte häufig Opfer von Gewalt werden, kaum Einkommen und selten eine feste Bleibe haben.

Aus diesen Gründen lehnen wir Ausschaffungen nach Afghanistan kategorisch ab und bitten Sie, auch von der Ausschaffung S.s abzusehen!

Mit freundlichen Grüssen
von einer wachsenden Gruppe von solidarischen Mitmenschen, Lehrerinnen und Lehrern, Trainern, Bekannten, Freundinnen und Freunden von S. und von weiteren Menschen, die auch in S. einen Menschen sehen

Christoph Albrecht, Jasmin Beurer, Mischa Brutschin, Markus Egli, Maria Eisele, Dorothea Keller, Alexander Lucks, Mirjam Meier, Constanze Schade, Monica Schweizer, Séline Stricker, Tharmila Thayaparan

[1] https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/afghanistan/reisehinweise-afghanistan.html (aufgerufen am 25.10.19)

[2] https://www.fr.de/politik/afghanistan-fast-alle-wollen-zurueck-nach-deutschland-13080577.html (aufgerufen am 25.10.19)