Ankunft zahlreicher Geflüchteter aus der Ukraine: Positionspapier von Solinetz

1. So soll es sein!

Erfreut stellen wir fest, dass die Geflüchteten aus der Ukraine nicht nur von breiten Teilen der Zivilgesellschaft, sondern auch von der offiziellen Schweiz grosszügig willkommen geheissen werden. Zahlreiche sehr schnell eingerichtete Massnahmen ermöglichen den Menschen aus der Ukraine ein weitgehend von bürokratischen Hürden befreites Ankommen in der Schweiz. «Der Umgang mit den Menschen aus der Ukraine zeigt auf, wie klar den europäischen Behörden ist, welche Grundbedürfnisse für Menschen auf der Flucht schnell gedeckt werden müssen und welche Massnahmen ergriffen werden müssen, um ein bestmögliches Ankommen in der belastenden Situation der Flucht zu gewährleisten», schreibt die antira-Wochenschau am 21. März 2022. Tatsächlich gewährt der Schutzstatus S viele der Rechte, die das Solinetz und zahlreiche weitere Organisationen für Geflüchtete seit Jahren fordern:

  • Rascher Erhalt des Aufenthaltsrechts
  • Recht auf Familiennachzug
  • Sofortige Arbeitserlaubnis
  • Freie Wahl des Wohnorts
  • Kanton Zürich: Zugang zu Integrationsdienstleistungen wie Deutschkurse, etc.

Das Solinetz begrüsst diese und die zahlreichen weiteren Massnahmen der offiziellen Schweiz für die Menschen aus der Ukraine sehr.

2. So soll es für alle sein!

Die letzten Wochen haben gezeigt, was alles möglich ist, wenn denn der politische Wille da ist. Es gibt keinen Grund, diese Rechte nicht auf alle Menschen auszuweiten, die hier sind und noch kommen werden. Die grosse Solidarität mit den Geflüchteten aus der Ukraine steht in einem krassen Gegensatz zum Umgang der Schweiz mit Geflüchteten aus fast allen anderen krisen- oder kriegsgeschüttelten Weltgegenden. Das stellen nicht zuletzt die Betroffenen selbst fest, die teils nach Jahren noch immer ihre Kinder nicht nachziehen dürfen oder jetzt in Kollektivunterkünfte zurückmüssen, um Platz frei zu machen für die neuankommenden Menschen aus der Ukraine. Wir verurteilen diese Ungleichbehandlung, die sich auch gegenüber Unterstützer:innen manifestiert: Während Fluchthilfe sonst systematisch kriminalisiert wird, ist nun etwa die Autobahnvignettenpflicht aufgehoben worden für alle Autos, die ukrainische Geflüchtete transportieren.

3. Was bedeutet die Ankunft zahlreicher Geflüchteter aus der Ukraine für die Solinetz-Projekte?

Das Solinetz sieht es als seine Aufgabe, weiterhin insbesondere für diejenigen geflüchteten Menschen da zu sein, die von staatlichen Unterstützungsangeboten weitgehend ausgeschlossen sind. Wir schaffen deshalb keine neuen Angebote spezifisch für Geflüchtete aus der Ukraine. Unsere Projekte stehen aber grundsätzlich auch weiterhin allen Menschen offen.
Auch für das Solinetz bedeutet die Ankunft zahlreicher Menschen aus der Ukraine eine Herausforderung. Bereits erreichen zahlreiche Ukrainer:innen unsere Deutschkurse. Unsere Projektverantwortlichen können sich jederzeit an die Solinetz-Geschäftsstelle wenden, wenn sie feststellen, dass zusätzliche Freiwillige benötigt werden. Die Geschäftsstelle hilft, diese zu finden und steht den Projekten auch sonst unterstützend zur Seite. Wir müssen uns leider vorbehalten, eventuell einzelne unserer Deutschkurse für weitere Interessierte mit Schutzstatus S zu schliessen, um den niederschwelligen Zugang für Geflüchtete mit anderen Status offen halten zu können. Denn es ist klar, dass Freiwilligenangebote wie unsere diese grosse Nachfrage nicht allein stemmen können. Erfreulicherweise hat der Kanton Zürich vor kurzem beschlossen, Personen mit Schutzstatus S Zugang zu den Angeboten der Integrationsagenda (normalerweise für Personen mit F oder B) zu gewähren.

4. Wo gibt es Zugang zu Bildung?

Da den Personen mit Schutzstatus S die Angebote der kantonalen Integrationsagenda offenstehen, verweisen wir sie grundsätzlich an die zuständigen Gemeinden. Diese sind in der Pflicht, Sprachkurse und weitere Integrationsmassnahmen zu organisieren. Bezahlt werden diese vom Kanton. Wir sind uns bewusst, dass sich die Betreuungsqualität der einzelnen Gemeinden resp. der zuständigen Betreuungsorganisationen zuweilen stark unterscheidet und hoffen, dass wir mit diesem Hinweis die Menschen ermächtigen, für ihr Recht auf Bildung einzustehen. Das Solinetz bleibt wie immer nahe dran und wird sich dafür einsetzen, dass die Behörden ihren Verpflichtungen und Versprechen nachkommen.

Wir hoffen, dass die Hilfsbereitschaft von Behörden und Zivilgesellschaft lange anhalten und sich auf Geflüchtete jeglicher Herkunft ausdehnen wird!

Positionspapier PDF